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Al'Leu zu V.Franjevics Kunst



Al' Leu sprach zu meiner Kunst wieder. Am 7.12.2016 in der Galerie in Bahnhof (Klubschule Migros) St.Gallen. Bin sehr dankbar! Hier unten ist die von Al' verfasste und vorgetragene Ausstellungsrede zu lesen. 



Al' Leu, 7.12.2016, St.Gallen
Al' Leu, 7.12.2016, St.Gallen

Krater der Emotionalität

Vlado Franjević

in der Galerie im Bahnhof, St.Gallen

 

Als Vlado Franjević mir den Titel "Allerlei zwei" für seine geplante Ausstellung mitteilte, hatte ich plötzlich das Bild eines "Vierpass" vor meinen Augen. Der "Vierpass" ist ein häufiges Ornament in der Gotik.

 

Er besteht üblicherweise aus vier Kreisbögen mit gleichen Radien, die sich in einen Kreis einfügen und durch diese Anordnung tatsächlich zu "Allerlei zwei" werden können.

 

In der Architektur wurde der "Vierpass" vor allem im Masswerk bei der Gestaltung von Fenstern verwendet.  Sie dienten aber auch als Blend-Elemente bei der Dekoration von Wandflächen. 

 

Diese spontane Assoziation erstaunte mich. Wieso gerade diese streng geometrische Formkonstruktion? Und dann noch aus einer so alten Zeit. Und dies bei Vlado Franjević.


 Seine Werke entstehen doch eher aus den Kratern der persönlichen Emotionalität, welche jede Art von Strenge mit dem Feuer und der Lava seines Temperamentes in die geschmeidige Konsistenz des ständigen Wandels von Farben und Formen fliessen lassen.

 

Auch im Wesen von Vlado Franjevićs gross angelegten "Spiralkanal"- Projekten ist diese Grundcharakteristik problemlos auffindbar.

 

Im Kontrastspiel von Formkonzentration und Formauflösung organisieren sich in Vlado Franjevićs künstlerischem Schaffen dualistische Kräfte zwischen Entstehen und Zerfall.

 

Franjević nähert sich hier bildnerisch jenen Bereichen, die für Rudolf Steiner den Beweis lieferten, dass die menschliche Unsterblichkeit und das Ungeborenwordensein des Individuums eine transzendale Allianz bilden.

 

Mit biomorpher Zeichenhaftigkeit visualisiert er in seinen Werken die Energetik von Vorzuständen zwischen Bild und Sprache und der sich in ihnen formierenden Chiffrierungen des Subjekts.

 

Vlado Franjević schafft Werke welche sich als Fixierung seiner situativen Emotionen verstehen. 

 

Sie lassen sich nicht in herkömmliche Gestaltungsregeln einfügen, sondern entwickeln eine Bildlogik der "Vegetativen Anarchie", welche durch den intuitiven Schaffensprozess immer wieder spontane Seinsvarianten formuliert.

 

Das Dualistische im Schaffen von Vlado Franjević hat eine innere Wesensverwandtschaft mit dem "Minoischen Stier", der in der europäischen Mythologie durch seine "Zweiheit" die allgewaltige Kraft der Drehbewegungen des Himmels verursacht und gleichzeitig mit seiner verschwenderischen Fruchtbarkeit das dionysische Leben auf der Erde aktiviert und dupliziert.

 

Vlado Franjevićs Werke werden in dieser Ausstellung unter dem Titel "Allerlei zwei" präsentiert. 

 

In diesem Titel steckt auch ein unterschwelliges Misstrauen gegenüber der Realität und ihren Manifestationen.

 

Ein permanentes Unbehagen geistert durch seine Werke, wie es schon im platonischen Höhlengleichnis zu finden ist.

 

Vlado Franjevićs Werke tendieren zu einem sich abwenden vom "Bewährten", um den notwendigen Raum und die Dynamik für ein offenes, beziehungsweise freies Lebensgefühl zu schaffen.

 

In der Werkpräsentation "Allerlei zwei" hält sich der Künstler nicht an die Richtungs- und Ordnungsgesetze, wie wir sie beispielsweise in den Jahreszeiten und den Himmelsrichtungen als selbstverständlich anerkennen, sondern folgt der existenzphilosophischen Spur von Albert Camus, der in der Kunst eine "in Form gebrachte Forderung nach dem Unmöglichen" sah.

 

Beim Nachdenken über die sich zur Zeit mit dem Prekären und Desolaten auseinandersetzenden Kunst von Vlado Franjević schieben sich immer wieder zwei zentrale Motive ins Zentrum der Werkinterpretation, welche die inhaltliche, aber auch formale Spannung in seinem bildnerischen Werk aufbauen:

 

Die Lebenskraft der archaischen Tradition in seinen Bildmotiven und die ehrliche Absicht, diese zugunsten der Moderne zu zerstören, um Platz für wirklich Neues zu schaffen. Sie folgen dem Diktum von Arnold Hauser

 

"Die Kunst ist ein Mittel, die Dinge der Welt in Besitz zu nehmen - sei es durch Gewalt, sei es durch Liebe".

 

Die Erkenntnis, dass dies durch duales Handeln nur begrenzt möglich ist und ein "Konsens" zwischen beiden ebenfalls kaum realisierbar scheint, ist, neben der gestischen Poesie und maltechnischen Autonomie der intuitiv-seismographischen Bildschöpfungen, die  Grundbotschaft von Vlado Franjevićs Ausstellung "Allerlei zwei". 



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