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Dr. Wieslaw Piechocki zu meiner Kunst - 2



Dr. Wieslaw Piechocki sprach nach einer längeren Zeit zu meiner Kunst wieder. Am 21.8.2016 hier. Bin sehr dankbar! Hier unten ist Wieslaws Ausstellungsrede zu lesen, ebenfalls einige Fotos zu sehen.  



Dr. Wieslaw Piechocki in Stein Egerta, 21.8.2016
Dr. Wieslaw Piechocki in Stein Egerta, 21.8.2016

Dr. Wieslaw Piechocki zu Vlado Franjevićs Kunst. Vernissage im Ausstellungsraum des Seminarzentrums Stein Egerta FL-Schaan, 21.8.2016

 

„Meine geschätzten Damen und Herren, lieber Vlado,

der Künstler Vlado Franjevic, den ich seit vielen Jahren kenne, überrascht uns mit dem Ausstellungstitel „Allerlei – Eye“. Ich folge seinem Wortspiel und es führt uns auf die Wüste. Das 


englische „the eye“, also „das Auge“ existiert ebenfalls auf Arabisch. In dieser Sprache heisst „el Ain“ eben „das Auge“. Man trifft auf dieses Wort überall in der Wüste, weil es dort „ein Wasserauge, eine Oase, eine Wasserstelle“ bedeutet. Damit hätten wir eine Kunstoase vor den Augen. 

 

 

 

Vlado nahm im Mai 2016, also vor kurzem, an der 1. Kunstbiennale teil, welche die Kulturbehörden der Vereinigten Arabischen Emirate etwa 150 km von Dubai entfernt in der Ortschaft „el-Ain“, also im „Auge“ organisiert haben. Der Künstler pilgerte also mit seinen Augen ganz weit, um Liechtenstein dort zu repräsentieren. In den Emiraten konnte ich nicht über ihn sprechen, aber die Vernissagereden durfte ich über ihn im April 1994 in Vaduz und später auch im schweizerischen Herisau halten. 

 

Hier stehen wir vor ein paar Bilder, die ein Auge darstellen. Dieses Auge irritiert mich zumindest wegen seiner reduzierten Bildsprache und Emotionslosigkeit. Klassisch sehen wir oft in der Kunst viele Augen, aber eher paarweise. Nicht fast abstrakt, radikal, naturalistisch auf dem weissen Feld, wie aus einem Anatomieatlas herausgezogen – ein Auge. Dieses Auge löst folglich eine Irritation aus, entrüstet, entpuppt sich nicht nur als Organ, bohrt direkt die unsichtbare Fläche vor sich, sondern verlangt nach einer Antwort, sieht sie entgegen. Nicht nur in der Kunst ist das Auge ein Bindemittel, Kitt zwischen uns und der Welt. Auf jeden Fall entfacht es viele Assoziationen… Eine davon wäre: Passt das Auge auf uns auf, behält uns buchstäblich im Auge, bewacht uns mit einem Argusauge? Oder ist vielleicht Vlado Franjevics Auge-Bilderserie eine Verherrlichung, Verklärung, eine prächtige Huldigung oder sogar eine symbolische Vergottung unseres Sehorgans?

 

 

Ich erinnere mich an ein Bild, das Vlado vor vielen Jahren malte. Eine menschliche Gestalt trägt mühsam ein Holzschulterjoch auf den Armen. Früher trug man in den Dörfern leere oder bereits mit Wasser gefüllte Eimer auf den Schultern. Nicht überall  verfügte man einst über eine Wasserrohrleitung. Eine mühsame Arbeit, ein Schuften, das man gerne auf die anderen Familienmitglieder delegierte. Warum erwähne ich dieses Bild? Denn dieser Mensch, der einzige Protagonist, trägt nicht zwei schwere  Eimer, sondern zwei schwere Häuser auf seinem Nacken. Man sagt, die Schriftsteller erzählen ständig über sich selbst, obwohl sie verschiedene Themen beschreiben. Ich glaube, die Maler erzählen ebenfalls über sich selbst. Der Mann mit zwei Häusern am Schulterjoch ist der Künstler, der sein Leben aus Kroatien nach Liechtenstein transportierte. Nein. Nicht „transportierte“. Er tut es ständig, pausenlos, Tag und Nacht, in seiner Realität und in den Träumen. Vlado transportiert, bewegt sich und bewegt viele Projekte. 

 

Zum Beispiel aus den künstlerischen Bewegungen entstanden seine berühmten Spiral-Kanäle, deren Ursprung 2004 in Estland zu finden ist. Aber die Projektwiege trug er mittlerweile zu vielen Ländern, in denen das Kunstwerk in die Erde hineinwuchs. Kunstwerk in die Erde? Es klingt metaphysisch. Es ist auch so. Mit seinen eigenen Händen und mit der Schaufel aber musste er physisch die Spiral-Kanäle in der Erde herstellen. Ergo: eine Synthese der Physik und Metaphysik… Eine Spirale ist die Schwester der Schraube. Letztgenannte wirkt langweilig, weil sie sich nicht entwickelt - ihre Abstände sind immer gleich. Und die Spirale entwickelt sich, hat viele Nachahmungen in der Natur. Die Natur hat Spiralen sehr gerne. Das beobachten wir bei Pflanzen und Tieren – eine Schnecke trägt ihr einziges Haus mit sich – eine sonderbare aparte Philosophie. Vlado versteckt auch eine Spiraltheorie bei seinem Never-Ending-Story-Projekt. Seine Spirale kennt keine Grenzen und vielleicht eines Tages erreicht sie sogar eine Spiralgalaxie im Kosmos." 

 

 

Recht übersichtlich, auf den ersten Blick allerdings, sind die Türme von Vlado. Die Türme sind hier nicht zu sehen, aber ich möchte sie kurz erwähnen. Diese einprägsame Serie hat eine interne Symbolik, ist dynamisch, weil viele Objekte um die Dächer der Türme fliegen. Natürlich hat der Künstler das Vorgestellte stark stilisiert. Wir haben weder mit einer kühlen Erzählweise noch mit dem Verlust der Visionen zu tun. Was auffällig ist, sind die Eingangstüren. Aber ist es nur der Eingang und kein Ausgang, oder doch ein Ein- und zugleich ein Ausgang? Fragen auf Fragen! Ein Rätsel wohl seiner Türme. Es ergibt sich kaum eine schlüssige Interpretation. Was ist ein Turm? Ist das ein sprichwörtlicher Elfenbeinturm, das Schneckenhaus unserer Träume, Ziele, Absichten und Projekte? In der Tat haben Vlados Türme keine Fenster, keine Etagen und keine Balkone. Das ist das Gegenteil zu seinem Atelier, das sehr viele Fenster, viel Licht hat. Schade, dass er bald sein Schaaner Atelier verlassen muss. 

 

Zurück zum Turm ohne Fenster. Das Russische hat viele Lehnwörter aus dem Deutschen. Unter anderem heisst „das Gefängnis“ tjurmá, eben nach dem deutschen Muster „Türme“. Das wäre auch eine symbolische Interpretation dieser Serie, die im Grunde genommen dank riesigem Farbenfächer sehr optimistisch wirkt. Wieder ein Rätsel: der Künstler hat mehr angedeutet als ausformuliert.

 

 

Es gibt noch die neue Komet-Planeten-Galaxie-Serie der Bilder.  Drinnen beobachten wir verschiedene Flächen, die entweder im Rahmen des Bekannten liegen oder  eine terra incognita, also ein unbekanntes Terrain, Gebiet zeigen. Da mischen sich die Flächen zwischen Wasser und Erde, zwischen Natur und Kunst, zwischen Farbe und noch mehr Farbe. Optimismus pur? 

 

Der Künstler versucht, das Gleichgewicht zwischen dem heimlichen Universum und Scheidewegen zu halten. Deshalb ist Vlados Galaxie farbig und zugleich dunkel, erneut oval aber auch schlangenartig. Ebenfalls farbig und mit festen Konturen versehen sind seine Bilder der Finsternis. Da dominieren Dreiecke und Ovale. Eine Finsternis ist himmlisch blau und die andere irdisch grün mit Flügeln. Insgesamt kann man sagen: Vlados Kunst hat Flügel und beflügelt diejenigen, die in der Kunst eine raffinierte Reise zu den geheimnisvollen Ländern suchen."   

 



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